Eine (Alltags-) Geschichte
Von @Gemiko
Heute: Bernd, der Stinkstiefel
Ich laufe meine Mittwochsrunde. Da ich immer dieselbe Strecke laufe und die Tageszeit auch meist die gleiche ist, an der ich starte, wird das Ganze recht bald routiniert um nicht zu sagen langweilig. Dieselben Straßen, dieselben Ampeln, derselbe Feierabendverkehr ….. selbst die Löcher im Asphalt haben mir schon das „Du“ angeboten. Deshalb beschloss ich, mal etwas Neues auszuprobieren.
Aus dem Webauftritt der Senftenberger Läufergruppe war mir bekannt, dass es ebenfalls Mittwochs immer ein Treffen am Hafen gibt. Schon länger wollte ich die Truppe mal beschnuppern. Gemeinsame Ziele, gegenseitiges Pushen und Optimierung des Laufstils waren meine Wunschvorstellungen. Das einzige, was mich noch daran hinderte dorthin zugehen, war die späte Uhrzeit. 20.00 Uhr – im Sommer mag das ja in Ordnung sein aber im dunklen Winter, brrrr ???? Ich bin Bequemläufer und Zwang hab ich schon im Alltag genug.
Zurück zur Strecke: immer wieder mal begegnete ich einem Jogger, der meinen Weg kreuzte. Man grüßt sich kurz mit einem Kopfnicken und das wars. Aus den wenigen Malen wo ich diesem Mann begegnet bin, wurde auch Routine. Nur mit dem Unterschied, dass er mir neuerdings nicht mehr entgegenkam sondern meine Richtung einschlug. An einer Ampel sprach er mich dann an. Er sagte, er sei hier nur zum Warmlaufen. Eigentlich gehöre er zur Senftenberg Laufgruppe und wieso er mich dort noch nie gesehen hat. Mein Interesse war also grundsätzlich geweckt und so joggten und unterhielten wir uns gleichzeitig. Dabei stieg mir je nach Windrichtung ein übler Geruch nach Schweiß und Turnhalle in die Nase. Mit Übel meine ich richtig Übel. Scheel guckte ich mir mein Nebenmann etwas genauer an: die Turnschuhe schief abgelatscht und laberig, das Baumwoll- Shirt, hatte seine besten Tage vermutlich 10 Jahre zuvor erlebt. Es war von Schweißrändern durchsetzt, fleckig und speckig auch die Hose. Der Mann stank.
Am darauffolgenden Mittwoch das gleiche Prozedere. Bernd, so hatte er sich vorgestellt, erwartete mich schon an besagter Ampel und Im selben Outfit. Diesmal hatte ich das Gefühl, den Schweißgeruch schon 10 Meter vorher in der Nase zu haben. „Naaaa“ begrüßte er mich gutgelaunt „heute wieder ein gemeinsames Ründchen?“. Oh mein Gott, dachte ich, das gibt Kopfschmerzen. Tapfer hielt ich durch und atmete möglichst durch den Mund was mir Seitenstechen einbrachte. Ich lief mal schneller und mal extrem langsam. Gekonnt hielt Bernd dem wechselnden Tempo stand.
Für den nächsten Mittwoch hatte ich mir clever vorgenommen, etwas später loszulaufen damit Bernd einen Vorsprung *kicher* hatte und sicher schon in Richtung seiner Laufgruppe unterwegs war. Da hatte ich die Rechnung aber leider ohne ihn gemacht. Schon von weitem hampelte er, Dehnübungen vortäuschend, an besagter Ampel herum und versah mich mit einem vorwurfsvollen Blick „du bist aber spät dran heute“. Ich ähem, ich hatte noch keine Zeit stotterte ich, noch ganz perplex darüber, dass er offensichtlich auf mich gewartet hatte. Unterwegs korrigierte und verbesserte Bernd in vertraulicher Art meinen Laufstil. „Du musst durch die Nase langsam und regelmäßig einatmen und dabei die Atmung deiner Schrittfolge anpassen!“ Aaaahja, so geht das, dachte ich verbissen. Und du musst dich und deine stinkenden Klamotten mal dringend waschen….
Bei diesem Lauf erzählte mir Bernd auch, er wäre Sachbearbeiter „sogar mit eigenem Büro“ sagte er stolz. Klar, mit dir will vermutlich niemand den Schreibtisch teilen war meine stille Antwort.
Als Bernd dann noch wissen wollte, wann ich denn nun gedenke zur Laufgruppe aufzuschließen wusste ich, das wird nie passieren. Ich erklärte ihm, dass ich fortan Mittwochs keine Zeit mehr zum Laufen hätte und überhaupt Individualist bin. Danach wechselte ich die Straßenseite und die Strecke, zugunsten einsamer und abgelegener Pfade.
Jetzt ist es zwar wieder langweilig aber die Langeweile ist rein, sauber und riecht blütenfrisch.
12.11.2017 16:23
Nanu? Du bist doch sonst nicht auf den Mund gefallen - warum hast du ihm denn nicht einfach freundlichst erklärt, dass er etwas "anrüchig" ist??? (Hättest danach ja gleich schnellstens abbiegen können )
11.11.2017 23:58
Ich laufe ja auch!
Aber nur Freitag oder Samstag, vom Haus links um die Ecke, dann ca. 200 Mtr. in meine Stammkneipe.
Zurück sind es dann ca. 400 Mtr. (gleiche Strecke) und daheim werde ich dann liebevoll erwartet.
11.11.2017 23:15
Laufgruppe, Quasselpartner, Laufstiloptimierung, Dehnungsghampeln, Stinkstiefel ...
Deine Geschichte hört sich bei weitem besser an als das "Hobby" an sich.