Ein Genie im Alltag
Vor langer langer Zeit sass ich in der Notaufnahme eines Siegener Krankenhauses wegen eines Arbeitsunfalls. Ich hatte meinen rechten ledernen Arbeitshandschuh noch an...es bestanden ernsthafte Zweifel ob der kleine Finger meiner nach einer bösen Quetschung sehr lädierten Hand ein Ausziehen des Handschuhs am Stück überlebt hätte... . Dementsprechend mulmig war mirs im Wartebereich, ausserdem hatte ich vom Chefarzt der Handchirurgie böses gehört. Dr. W. sollte ein Choleriker sein, der seine Abteilung mit einem Schreckensregiment führte... .
Schnell wurde ich aufgerufen, auf die Schlachtbank geführt und vorbereitet...besagter Handschuh wurde aufgeschnitten um an den blessierten Finger zu kommen, und dieser bekam sofort- ohne sich mit Wasser aufzuhalten - eine Quasidusche mit roter Jodlösung. Der Chefarzt betrat den Raum - vielleicht waren zermatschte Finger sein Steckenpferd, ich war Kassenpatient und von daher eher übermüdete Assistenzärzte gewöhnt - und sagte nichts. Anscheinend hatte seine Untergebene in seinen Augen alles richtig gemacht... . Leider hing das letzte und ziemlich platt wirkende Glied meines kleinen Fingers nur noch durch ein Stückchen Haut verbunden am Rest des Fingers...der Blick Dr. W.s war dementsprechend interessiert.
Nach einer Röntgenaufnahme wollte der Arzt versuchen das Fingerglied zu erhalten. Er sprach ganz ruhig mit mir, während er zur gleichen Zeit das Personal anschnauzte, zur Eile antrieb und auf vermeintliche Fehler hinwies...ich durfte mich hinlegen, den Arm ausstrecken und wurde mit lokaler Betäubung operiert. Um mir die Zeit zu vertreiben, und weil ich mir das Gematsche nicht angucken wollte beobachtete ich währenddessen den Doktor und die Schwester...sie mit einem gehetzten Blick, wohlwissend das es jeden Moment wieder losgehen konnte mit ihrem Chef, und er...hochkonzentriert und wie es schien mit Freude bei der Sache wie ein Uhrmacher, der eine wertvolle alte Taschenuhr repariert... .Der fehlende Knochen wurde durch ein vorübergehend eingesetztes Stück Draht ersetzt, Haut, Blutgefässe und Nerven wieder miteinander verbunden, und die ganze Hand sowie der halbe Unterarm wurden mit einer Gipsschiene fixiert und fest mit Mullbinde umwickelt. So versorgt verliess ich das Krankenhaus.
Die weitere Behandlung erstreckte sich über 6 Wochen. Da wurde kontrolliert ob das Fingerglied wieder anwächst, es wurden Verbände gewechselt, Wundränder gesäubert...und während dieser Zeiten habe ich bemerkt, wie Dr. W. seine Leute angebrüllte, durch die Gegend hetzte und verbal manchmal schon unter der Gürtellinie traktierte.
Der kleine Finger hat sich - abgesehen von einer ziemlichen....Flexibilität wegen des fehlenden Knochens im letzten Glied perfekt erholt. Sogar Gefühl ist wieder in die Kuppe zurückgekehrt...
15.11.2017 19:31
Achja...es gibt auchn Happyend für seine Mitarbeiter...der Mann ist inzwischen in Pension...:p
15.11.2017 19:29
Unter so einem Widerling steigt die Motivation der Mitarbeiter bestimmt täglich. Da kann man schon mal vergessen, dass er ne Fachgebietskoriphäe ist. In diesem Fall war es gut, dass du nur als Patient behandelt wurdest.